Berichte von der Mahnwache

Tag 29

….und damit letzter Tag der Mahnwache. Heute sind wir viele. Die Stimmung ist gut, viele parallele Gespräche und Begegnungen entstehen. Eine Person, die Mutter ist, berichtet von Rassismus im Alltag, den sie in Thüringen deutlich stärker als anderswo wahrnimmt, mit den schon ihr Kind aufwächst. Im Kindergarten weigern sich andere Kinder mit ihm zu spielen, das Kind ist verzweifelt, sie versucht, es immer wieder zu ermutigen, nicht aufzugeben, lieb und offen zu bleiben. Sie selbst könne mit der Kälte und Aggressivität leben, doch sie wünscht sich ein gutes Leben für ihre Kinder. Ihr Herz bricht, sagt sie. Und dass viele junge Menschen hier den Rassismus weitertragen, dabei liege es doch gerade an uns, das zu verändern. In starken Worten schafft sie zu sagen, dass Integration keine Einbahnstraße ist.

Mahnwachensupporter*innen bieten auch am Hintereingang der Behörde Menschen das Gespräch an und stoßen auf viele positive Reaktionen. Mitarbeiter*innen eher kritisch und ohne Interesse an Gesprächen. Wir werden schließlich vom Ordnungsamt “jetzt sofort!” des Platzes verwiesen. Vor der Ausländerbehörde geht es mit viel Austausch weiter.

Ein Mensch, im Herkunftsland politisch verfolgt, wird hier immer wieder zwischen verschiedenen Behörden und zwischen Städten hin- und hergeschickt, Zuständigkeiten werden von sich gewiesen. Hunderte Euro musste der Mensch schon für Fahrten ausgeben – und erhält zur Krönung nach Jahren keine Arbeitserlaubnis, aber auch keine Sozialleistungen. “Ich will kein Geld, ich will arbeiten”. Das ignorante und empathielose Verhalten von Sachbearbeitenden kritisieren viele. Ein*e Betroffene*r sagt “wenn sie die Chance haben zu beißen, tun sie das auch.”

Das war es jetzt erstmal für diesen Monat. Für tatsächliche Verbesserung und Erleichterung für das Leben von Betroffenen müssen wir weiter streiten. Wir nehmen so viel von der Mahnwache mit… lehrreiche und stärkende Begegnungen, neue Bekanntschaften. Viel geteilte Frustration und Wut, doch dadurch auch Hoffnungsschimmer und umso deutlich die Notwendigkeit zur Veränderung vor Augen. Wir sind dankbar für so viel Vertrauen, das Menschen uns geschenkt haben und für die zahlreiche Unterstützung. Wir hören nicht auf und bleiben dran!

Tag 28

Vorletzter Tag der Mahnwache vor der Ausländerbehörde. Es fühlt sich so gewohnt und vor allem notwendig an, den Morgen dort gemeinsam zu verbringen, um auf die gravierenden und strukturellen Probleme der Ausländerbehörde aufmerksam zu machen.

Wir spielten unsere Playlist, die Fenster der Behörde wurden sogleich wieder geschlossen. Die Stimmung war gut und unser Austausch fühlte sich bestärkend und kämpferisch an. Vorbeilaufende Personen sowie Besucher*innen der Behörde nahmen die Mahnwache wahr, zeigten sich interessiert, stellten Fragen und gaben uns und der Mahnwache Zuspruch. Flyer wurden ebenso an einen sehr freundlichen und ermutigenden Autofahrer verteilt.

Tag 27

Inzwischen ist Routine in der Mahnwache, insofern schade dass sie diese Woche zu Ende geht. Insbesondere weil die Probleme sich leider überhaupt nicht bewegt haben. Vier Wochen Mahnwache und bisher keine Reaktion seitens der Ausländerbehörde Erfurt. Dafür viele Reaktionen von Menschen, die auf die Arbeit der Behörde angewiesen sind. Und auch wenn wir sehen wollen wie Probleme zu Lösungen werden, hilft es dennoch zu sehen und zu zeigen: Wir alle haben ein Problem mit der A-Behörde.

Deswegen wird es am Freitag, dem 29.09.23 von 8 bis 12 Uhr, eine größere Abschlussmahnwache geben. Kommt vorbei! Bei dieser wollen wir gemeinsam nochmal laut und klar zu verstehen geben: Wir sind Menschen, keine Akten!

Tag 26

Wurden mehrfach angehupt. Pöbelei, Mackerscheiß, Solidaritätsbekundung? Schwer zu sagen. “Die helfen gar nicht” sagt ein Mensch über die Ausländerbehörde. Wir reden, empfehlen verschiedene Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten. Auch freudiges Wiedersehen mit inzwischen bekannten Menschen. Einer davon weiterhin frustriert, aber sehr abgeklärt, da ihm seit Jahren nicht erlaubt wird zu arbeiten, auch nicht, seine Familie nachzuholen. Die Lage in seinem Herkunftsland ist chaotisch und gefährlich. Seit er hier ist, seien auf dem Weg Richtung Europa schon mehrere Angehörige verstorben. Er fragt nach, warum wir nur noch diese Woche da sind. Gute Frage, wie geht es weiter? Schon fast ein Monat Mahnwache und wir warten weiter auf irgendeine Antwort oder Reaktion aus der Stadtverwaltung Erfurt auf unsere Kritik und Forderungen.

Ein offener Brief der Erfurter Fraktion der Grünen bekräftigt die jahrelang von Betroffenen geäußerte Kritik an Ignoranz, Unwillen und den Eindruck, “dass sich niemand wirklich verantwortlich fühlt, nicht mal der zuständige Dezernent. […] Nehmen Sie als Oberbürgermeister sich dieser wichtigen Aufgabe an!”

Auf dem Rückweg holt uns noch ein Mensch ein, der sehr aufgelöst wirkt. Ihm droht #Abschiebung. Er weiß nicht, was er tun soll. Sich auszusprechen erleichtert ihn für den Moment zumindest, sagt er. Wir verabreden uns zum Weiterreden und hoffen, irgendwie supporten zu können. Guter Moment, um auf das Soli-Asyl aufmerksam zu machen: https://soliasyl.noblogs.org/

Tag 25

Heute wieder vor der Ausländerbehörde. Wir picknicken unter dem Pavillon, unterhalten uns über verschiedene politische Probleme und Kämpfe – für offene Grenzen, für Wohnraum für Alle, gegen (rassistische) Polizeigewalt… Ein Passant war der Meinung, wir sollten die Grenzen dicht machen. Ciao. Ansonsten fast nur positive Resonanz, auch von Besucher:innen der Behörde. Ein Mensch, der vor Kurzem erst aus einer Kleinstadt in einem anderen Bundesland herzog, hofft hier nun auf ähnlich entspannte Erfahrungen und schnelle Terminvergabe. Daumen gedrückt! Ein anderer Betroffener erzählt uns vom Gegenteil – er wartet hier lange auf Termine und findet das auch nervig. Aber da er auf keine Verlängerung eines Aufenthaltstitels angewiesen ist, war ihm gar nicht bewusst, dass das für andere Menschen massive Probleme mit sich bringt. Flyer auf Spanisch und Albanisch fehlen uns noch, Sprachbarrieren konnten wir trotzdem irgendwie überwinden. Langsam wird es kühler – was uns an die Situation in Stuttgart vor der Ausländerbehörde erinnert, wo wegen langer Wartezeiten aktuell täglich hunderte Menschen draußen Schlange stehen, teils sogar über Nacht campieren. (Artikel auf migazin.de) Gegenwind gegen das strukturelle Problem Ausländerbehörde braucht es nicht nur in Erfurt!

Tag 22

Die heutige Mahnwache startet ungewohnt kalt. Trotzdem treffen wir einige interessierte Menschen an, die mit uns ins Gespräch kommen. Wir hören wieder von Menschen, die mit Fiktionsbescheinigungen vertröstet werden, von langen Wartezeiten auf Termine und von vorgeschobenen Rechtfertigungen seitens der Behörde. Mitarbeitende der Ausländerbehörde selbst haben seit Beginn der Mahnwache noch kein Gespräch mit uns gesucht.

Dafür treffen wir umso mehr engagierte und solidarische Menschen: Eine Person möchte Menschen, die zur Behörde müssen unterstützen und bietet sich als Begleitung für Behördentermine oder für verdolmetschtung an. Ihr könnt euch diese Art der Unterstützung auch vorstellen? Schreibt uns gerne eine Nachricht und wir kommen bei Bedarf auf euch zurück! Das Wochenende nutzen wir jetzt erstmal zur Erholung bis dann Montag unsere letzte Mahn-Woche startet. Kommt gerne dazu! Montag bis Freitag 8:00-9:30 Uhr

Tag 21

Zum Weltkindertag am 20.09. pausierte die Mahnwache. Da stolperte unsere Zählung mal wieder. Vom täglich früh auf der Matte & fürs Richtige stehen sind wir eventuell bisschen durch. Also bevor wir vom Tag 22 der berichten, schieben wir den vergessenen Tag 21 ein. Und “vergessen” ist ein gutes Stichwort: Wir schicken ein #VergissMeinNicht an Grüne, FDP und SPD: Tausende Kinder sind immer noch von ihren Familien getrennt. Koalitionsvertrag umsetzen, Familiennachzug jetzt! Zur Kampagne: www.tdh.de/familiennachzug

Nicht zuletzt betrifft und bedroht die Arbeit der Ausländerbehörde Erfurt auch das Leben von Familien inklusive Kindern. Beispiel: Eine Abschiebung aus Erfurt nach Serbien und Kosovo. Der Flüchtlingsrat Thüringen hat dazu berichtet. Ein Interview zu diesem Fall, der kein Einzelfall ist, gibt es bei Radio F.R.E.I. nachzuhören.

Tag 20

Am 20. Tag der Mahnwache war viel los! Wir haben viel Zuspruch erfahren und verschiedene Personen berichten über schlechte Erfahrungen mit der Ausländerbehörde. Eine Person ruft uns aus dem Auto zu, dass er und seine Frau seit mehr als 7 Monaten versuchen einen Termun zu bekommen um endlich wieder zusammen leben zu können. Sein Frust und seine Ratlosigkeit waren spürbar, aber auch seine Freude Menschen vorzufinden, die die Arbeit der Behörde kritisieren. Wir konnten viele Flyer verteilen und einige Personen sind zur Unterstützen vorbei gekommen. Durch ein Gespräch mit einem schnell aggressiv werdenden älteren Mann wurde jedoch auch klar, mit welcher überheblichen Selbstverständlichkeit Menschen ihren Rassismus und Nationalismus laut machen.

Tag 19

Auch heute berichten Menschen von unwürdigen Zuständen und frustrierenden Erfahrungen mit der Ausländerbehörde in Erfurt. Sonst eher ruhig. Menschen nicken uns zu oder lesen interessiert die Banner, wollen aber kein Gespräch, andere fragen, warum wir da sind.

Tag 18

Bekannte Gesichter kommen vorbei… Grüßen, Lächeln, Daumen hoch. Wir nutzen den Raum für Austausch. Wir reden über solidarische Stadtteilarbeit, über die stabile Dauermahnwache der Seebrücke Jena 2021, übers voneinander Lernen. Über den Schiffbruch vor der griechischen Insel Kythira, der sich am 5. Oktober jährt, über das Kämpfen für Erinnerung im Angesicht der täglich tötenden europäischen Grenzen. Über Repression und über ganz konkrete Schikane, die Freund:innen von uns schon durch die Ausländerbehörde erfahren (haben). Sich dagegen zur Wehr setzen, laut zu sein und seine Rechte einzufordern, wird unglaublich schwer gemacht – durch Einschüchterung, Zermürbung und auch Abhängigkeit. Es macht uns so wütend. Wir sind im Herzen heute besonders bei einem Menschen, der deshalb nicht dabei sein kann. Du bist nicht allein!

Tag 15

Halbzeit bei der Mahnwache: Zwei spannende Wochen mit vielen netten und notwendigen Gesprächen liegen hinter uns. Wir haben viel Zustimmung erfahren und Menschen hatten die Möglichkeit uns von ihren – oft schlimmen – Erfahrungen mit der Ausländerbehörde Erfurt zu erzählen. Auch gab es immer mal Beleidigungen und Anfeindungen von Passant:innen. Das Fenster für solidarische Asyl- und Migrationspolitik wird immer kleiner. Während CDU und FDP im Thüringer Landtag mit Faschisten kooperieren und SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser menschenverachtenden Reformen zustimmt, müssen wir immer lauter werden! Wir sind Menschen, keine Akten.

Tag 14

Es gab einige interessierte und neugierige, aber auch den ein oder anderen verständnislosen und abwertenden Blick und Kommentar. Dank spontanem Support und Musik war die Laune an der Mahnwache aber trotzdem gut.

Tag 13

Heute ist ein ruhiger Morgen an der Mahnwache. Ein paar Personen wussten schon von uns. Die meisten lehnten Flyer ab, vereinzelt wurden sie aber auch mitgenommen. Wir führten ein Gespräch mit einer Person, die gerade versucht, ohne Termin mit der Ausländerbehörde zu sprechen, weil sie nach dem verheerenden Erdbeben dringend nach Marokko zu ihrer Familie will.

Tag 12

Wir sind viele Flyer losgeworden und hatten gute Gespräche mit Menschen, die unter Ausländerbehörde leiden. Im Austausch mit Betroffenen wird wieder einmal klar: Es gibt keinen Bezug zur Lebensrealität und zu Bedürfnissen individueller Menschen, kaum verlässliche Angaben. Fiktionsbescheinigungen behindern Alltag vieler Menschen, Sprachbarrieren werden absichtlich hochgehalten. All das könnte geändert werden, doch von Seiten der Ausländerbehörde Erfurt gibt es scheinbar keinerlei Ambitionen.

Tag 11

Nette & solidarische Gespräche mit Menschen. Inhaltlich nicht so nett: Ein Mensch lebt seit Jahren hier in Erfurt und bekommt keine Arbeitserlaubnis. Mehrfach hören wir Unmut darüber, dass Anliegen mancher schnell bearbeitet würden, andere über Monate warten müssten. Eine Person bestärkt den Eindruck: Man wird besser behandelt, sobald ein:e Deutsche:r dabei ist oder anruft. Sonst sehen sie immer nur “den Ausländer”. Dazu komme täglicher Rassismus, böse Blicke, wenn man einfach nur durch die Stadt laufe. Wieder Berichte von enormen Wartenzeiten und fehlender Bereitschaft von Mitarbeitenden, Dinge zu erklären – auch z.B. bei dringenden Anliegen wie dem Verlust von Papieren. Jemand berichtet uns, dass er wegen all dem bald aus Thüringen wegzieht – aber er sei froh, dass Leute weiterkämpfen. Auch unsere mehrsprachigen Flyer kommen gut an… dezenter Hinweis, liebe Ausländerbehörde!

Tag 8

Es gab positives Feedback in Form von zustimmenden Worten und netten Lächeln von einigen Passant:innen. Ein Mensch berichtete von hohem Stress, den Termine bei der Ausländerbehörde Erfurt bei ihm auslösen, weil er sich schlecht behandelt fühlt und keine Antworten auf seine Fragen bekommt.

Tag 7

Unter anderem hatten wir eine Begegnung mit einer Kommunalpolitikerin aus Weimar. Auch da gibt es Probleme mit Ausländerbehörde und Einbürgerungsbehörde, die Betroffene kritisieren: schlechte Erreichbarkeit, unkonkrete oder falsche Informationen, Sachbearbeiter:innen scheinen Gesetze nicht zu kennen oder wollen nicht helfen. Ein solidarischer Mensch kam einfach so bei der Mahnwache vorbei, durch die Arbeit in einer Gemeinschaftsunterkunft auch vertraut mit der Ausländerbehörde Erfurt. Diese habe öfter fälschlich behauptet, dass Dokumente zu spät oder gar nicht eingereicht worden seien. Dass die Einbürgerung in Erfurt unfassbar lange dauert, sei auch weit bekannt. Aufmerksamen Beobachter:innen unserer Aktion ist es vielleicht aufgefallen: Wir haben unsere Zählweise angepasst! Am Anfang wurde das Wochenende nicht bei den Mahnwachentagen mitgezählt – ab jetzt rechnen wir es im Sinne der psychologischen Kriegsführung und Stringenz und Analogie zu den Kalendertagen mit ein. Die Behörde macht Pause, das System niemals und wir sammeln nur neue Kraft um dagegen vorzugehen!

Tag 6

Heute war es mittwochsmäßig ruhig um die Behörde. Doch wir bleiben weiterhin vor Ort ansprechbar und hatten tolle Gespräche. Einen Zwischenfall gab es, als wir im Vorbeifahren als “Volksverräter” beschimpft wurden. Mit dem Label können wir leben.

Tag 3

Ein stärkender dritter Tag an der Mahnwache vor der Ausländerbehörde Erfurt! Wir haben mit Radio F.R.E.I. über die Aktion gesprochen. Menschen berichteten uns von frustrierenden Terminen, freuten sich über die Initiative, wollen wiederkommen und sich mehr über ihre Probleme austauschen.

Tag 2

Zweiter Tag der Mahnwache vor der Ausländerbehörde Erfurt: Check. Ein:e Mitstreiter:in haben wir heute spontan dazu gewonnen. Schließt euch auch an, solidarisch gegen dieses rassistische System.

Tag 1

Wir haben heute den ersten Morgen vor der Ausländerbehörde und dem Bürgeramt verbracht. An jedem Wochentag im September werden wir von nun an dort von 8.00 bis 9.30 Uhr mit einer Mahnwache stehen, um die Zustände in der Ausländerbehörde Erfurt zu kritisieren.